Traditionell bietet der Landtag NRW jedes Jahr politisch Interessierten die Gelegenheit zum „Generationentausch“: Abgeordnete – und da schließe ich mich natürlich ein – stellen für drei Tage ihren Platz zur Verfügung. Während dieser Zeit soll den Jugendlichen die Arbeit der Parlamentarier getreu dem Spruch „learning by doing“ nähergebracht werden. Das heißt, sie lernen das Abgeordnetem-Leben im wahrsten Sinne aus dem Blickwinkel ihrer gewählten politischen Vertreter kennen und nehmen auch die vielfältigen Aufgaben eines Parlamentariers wahr. In diesem Jahr nahm Moritz Constantin beim „Jugend-Landtag“ meinen Platz ein. Gerne habe ich ihn ihm überlassen und Moritz Constantin als interessierten und engagierten und damit würdigen „Vertreter“ kennengelernt. Vielen Dank dafür!

Über seine Eindrücken schreibt Moritz Constantin:

Als ich von der Möglichkeit erfuhr, am Jugend-Parlament 2019 teilzunehmen, setzte ich mich sofort an meinen Schreibtisch um ein kurzes Motivationsschreiben an Frau Dr. Patricia Peill, die Landtagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Düren I zu schreiben, in welchem ich schilderte, weswegen mich die Teilnahme am Jugendlandtag interessiert und ich ein geeigneter Kandidat sei. Nach kurzer Zeit erreichte mich der Anruf mit positiver Botschaft.

Anschließend sendete mir die Landtagsverwaltung Informationsmaterial und die offizielle Einladung zu. Weiterhin standen uns mehrere Themen zur Wahl, über die wir später debattieren sollten; durch diese vorangezogene Wahl wurde sichergestellt, dass uns die Entscheidungen die wir dann trafen auch wirklich am Herzen lagen.

Am Donnerstagnachmittag erfolgte die Anreise der 199 Teilnehmer in die Landeshauptstadt, getreu dem ersten Thema „ÖPNV attraktiver machen“ mit den Zug. Nach der Ankunft in der Jugendherberge und einem ersten Kennenlernen, gingen wir über die Rheinkniebrücke hinein in den Landtag, wo wir von André Kuper, dem Landtagspräsidenten, begrüßt wurden.

Dann sollte die eigentliche Arbeit jedoch auch schon beginnen: Im Fraktionssaal wählten wir für die Jugendlandtags-Fraktion der CDU zwei Vorsitzende. Für die einzelnen Ausschüsse bestimmten wir ebenfalls Vorsitzende. Rege inhaltliche Diskussionen kamen innerhalb kürzester Zeit zustande, da neben der ÖPNV-Thematik ebenfalls die Frage im Raum stand, ob eine allgemeine Impfpflicht als Voraussetzung für einen KiTa-Platz in NRW sinnvoll sei. Die Anträge, über die der Jugendlandtag abstimmen sollte, mussten relativ zügig fertiggestellt werden. Leider war, wie so oft, die Zeit zu knapp, um innerhalb einer Stunde einen Konsens der 72 Jugendlichen innerhalb der Fraktion zu finden.

Nach dem Abendessen im Landtagsrestaurant begaben wir uns zurück zur Herberge auf der gegenüberliegenden Seite des Rheins, in welcher die Diskussionen und der Austausch über politische Themen noch einmal Fahrt aufnahm.

Der nächste Tag begann mit den Fraktionssitzungen, in der zuvor gesammelte Argumente vorgetragen wurden, um an unserem Antrag nochmals zu feilen und unsere Forderungen zu konkretisieren. Daraufhin erwarteten uns im Plenarsaal zu den beiden Themen jeweils drei Vertreter aus der Praxis und der Wissenschaft, welche uns bei einer öffentlichen Anhörung Fakten, Zusammenhänge und Problematiken präsentierten und unsere Fragen direkt beantworteten. In der darauffolgenden Fraktionssitzung nutzten wir die neugewonnen Erkenntnisse, um unseren Antrag mit den Argumenten der Experten zu untermauern und mögliche Gegenargument zu entkräften.

Nun ging es darum, in den unterschiedlichen Ausschüssen mit den anderen Fraktionen für das beste Ergebnis zu streiten. Schnell wurden Gemeinsamkeiten aber auch unterschiedliche Ansichten bezüglich Gerechtigkeit, Effektivität und Nachhaltigkeit der Fraktionen festgestellt. Aufgrund der hitzigen Debatten konnte auch hier festgestellt werden, dass „die Jugend“ wohl nicht so politikverdrossen ist, wie allzu oft behauptet wird.

Am frühen Abend des zweiten Tages fand dann die vierte Fraktionssitzung statt, in welcher wir unter anderem die Rednerlisten für die Plenarsitzung am darauf folgenden Samstag festlegten, dem Höhepunkt des diesjährigen Jugend-Landtages.

Zuvor fand aber noch der parlamentarische Abend statt, bei welchem wir nicht nur ein reichhaltiges Buffet genießen konnten, sondern auch noch mit unseren Abgeordneten sowie deren Mitarbeitern den Abend verbringen durften. So ließen wir diesen langen, produktiven Tag in geselliger Runde ausklingen. Zurück in der Herberge wurde dann weiter der Austausch gesucht und Reden geschrieben, sodass einige Redner länger ihre Reden übten, als zu schlafen.

Am Samstagmorgen machten wir uns ein letztes Mal auf zum Landtagsgebäude. In der Fraktionssitzung sprachen wir uns nochmal gemeinsam ab und diskutierten über die Anträge der anderen Fraktionen. Gemeinsam gingen wir als Fraktion dann in den Plenarsaal, in welchem der Präsident des Jugendlandtags die Debatte eröffnete.

In der aktuellen Stunde, welche vom Ältestenrat zuvor bestimmt wurde, wurde über die Seenotrettung im Mittelmeer in Verbindung mit der Rolle NRWs in der Europapolitik diskutiert. Außerdem gab es einen Eilantrag der SPD, welcher Schülern ein Demonstrationsrecht während des Unterrichts gewähren sollte. Dieser wurde, u.a. aufgrund zu vieler entstehender Fehlzeiten und der Möglichkeit, politische Aktivitäten auch außerhalb der Schulzeit stattfinden zu lassen, von einer breiten Mehrheit des Parlaments abgelehnt.

Im Anschluss daran wurden die Anträge „Einführung einer allgemeine Impfpflicht als Voraussetzung für einen KiTa-Platz“ und „ÖPNV attraktiver machen“ diskutiert. Hier fiel insbesondere das Können vieler Jugendlicher auf, politische Reden zu halten, die immerzu vielfältige Reaktionen des Plenums hervorriefen.

Die Debatte über die Impfpflicht war besonders hitzig, da hier die Meinungen der Fraktionen sehr weit auseinanderlagen. Während SPD und Bündnis 90/ Grüne sich bezüglich einer allgemeinen Impfpflicht enthielten oder dagegen stimmten – da sie den Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit als unverhältnismäßig einschätzten – stimmten CDU, FDP und AfD für eine solche Impfpflicht vor dem Hintergrund rückläufiger Impfzahlen und dem Schutz immunschwacher Kinder in öffentlichen KiTas. Der Antrag wurde somit beschlossen.

Im Ziel ähnlicher, in der Umsetzung jedoch mindestens genauso unterschiedlich, wurde das Thema „ÖPNV attraktiver machen“ debattiert. Dass der ÖPNV in Zukunft eine größere Rolle im Verkehrswesen einnehmen muss, traf, mit Ausnahme der AfD-Fraktion, auf einen breiten Konsens. Strittig war jedoch die Rolle des Autos und der Verbindung von Individualverkehr und ÖPNV, insbesondere im ländlichen Raum. Weiterhin wurde diskutiert, ob eine Zusammenführung der verschiedenen Tarifverbände innerhalb des Landes zu einem einheitlichen System Sinn ergäbe. Auch hier konnten sich CDU und FDP aufgrund ähnlicher Vorstellungen gemeinsam durchsetzen, während die anderen Fraktionen nicht geschlossen abstimmten. So wurde der Ausbau des ÖPNV sowie der Park-and-Ride-Plätze und die Schaffung eines einheitlichen Tarifverbunds mit der Mehrheit des Parlaments bestimmt.

Zum Ende der Debatte durfte jeweils ein Redner jeder Fraktion noch ein abschließendes Schlusswort halten, indem gedankt, aber auch kritisiert werden durfte.

Schlussendlich bleibt zu sagen, dass diese drei Tage bei jedem Teilnehmer, einschließlich mir, einen bleibenden Eindruck von der Arbeit eines Parlaments hinterlassen haben. Ich für meinen Teil habe insbesondere die Erkenntnis gewonnen, dass es in einer Demokratie unwahrscheinlich schwierig ist, einen Konsens zu finden, mit dem alle einverstanden sind – und das sogar innerhalb einer Fraktion. Ebenfalls wichtig für mich war, mit anderen Sichtweisen in Berührung zu kommen und mir auch die Menschen anzuhören, deren Meinung von meiner eigenen sehr weit abweicht, da man nur so Ergebnisse schaffen kann, die tatsächlich demokratisch sind. Diese Art der Simulation der großen Politik sorgte bei mir in jedem Fall für „Lust auf mehr“ und ich bin äußerst froh und dankbar teilgenommen zu haben.