Die NRW-Koalition aus CDU und FDP hat einen Antrag zur Zukunft der Pflanzenzüchtung im Plenum des Landtages eingebracht.

Ziel ist eine offene Debatte über die Abgrenzung der Genom-Editierung mit der Genschere „CRISPR/Cas“ von der klassischen Gentechnik sowie eine neue Bewertung der Grundlagen für Forschung und praktische Anwendung in der EU.

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Seit Menschen Pflanzen kultivieren, versuchen sie auch, diese durch Züchtung weiterzuentwickeln – sonst wären Kartoffeln bis heute nur haselnussgroß und Paprikas extrem scharf. Das Problem heute ist: Die Anforderungen an die Pflanzen ändern sich so rasant, dass die klassische Züchtung nicht mehr hinterherkommt. Der Klimawandel bringt Wassermangel, Extremwetter, neue Krankheiten und Schädlinge mit sich. Es gibt ein Instrument, mit dem wir unsere Pflanzen viel schneller als bisher für diese Herausforderungen wappnen können: die Genschere ,CRISPR/Cas‘, deren Entdeckerinnen 2020 den Chemie-Nobelpreis bekommen.

Die Genschere kann gezielt Gene in der Pflanzen-DNA aufspüren und ähnlich einer Textkorrektur bearbeiten. So können Eigenschaften deutlich schneller verändert werden als durch gezielte Züchtung. Aber: Es wird keine artfremde DNA eingebracht wie bei der klassischen Gentechnik. Die Genschere führt nur Veränderungen herbei, die Natur oder Züchtung auch hätten erzielen können – quasi im Zeitraffer. Die Vorteile auch für den Naturschutz liegen auf der Hand: Pilzresistente Sorten benötigen beispielweise weniger Pflanzenschutzmittel, effizientere Sorten weniger Mineraldünger. So kann die Landwirtschaft die Reduktionsziele der EU erreichen und für mehr Biodiversität sorgen. Deshalb halten wir es für falsch, dass diese Genom-Editierung von Brüssel pauschal als Gentechnik eingeordnet wird – auf Basis einer Verordnung vom Beginn der 2000er-Jahre, als Instrumente wie ,CRISPR/Cas‘ noch ein ferner Traum waren.

Ich habe über viele Monate Gespräche mit Forschern, Pflanzenzüchtern, Landwirten geführt und der Bedarf einer offenen Diskussion über Möglichkeiten, aber auch Grenzen eines Einsatzes der Genschere ist enorm. Zumal das nobelpreiswürdige Instrument in vielen Ländern wie den USA, in Australien oder Kanada uneingeschränkt erlaubt ist und unsere mittelständischen Betriebe in Nordrhein-Westfalen drohen, von den großen internationalen Biotech-Konzernen abgehängt zu werden. Wir wollen hier im Landtag, aber auch mit Berlin und Brüssel mit Experten aller Fachrichtungen über eine Neubewertung der Genschere sprechen – das ist Ziel unseres Antrags.

Sehen Sie hierzu auch der erklärende Video: Was ist eine Genschere?

Meine vollständige Rede können Sie in dem Video oben noch einmal nachhören oder im Folgenden nachlesen:

Dr. Patricia Peill (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nur selten machen Forscher Entdeckungen, bei denen sehr schnell klar wird: Das hat einen Nobelpreis verdient.

Vor fünf Jahren ist das zwei Wissenschaftlerinnen mit der Entdeckung von CRISPR/Cas9 gelungen – einer hochpräzisen Genschere, die wahrscheinlich die Nutzpflanzenzüchtung revolutionieren wird.

Warum ist das heute gerade für uns und in Europa so wichtig?

Wir leben in einem beschleunigten Wandel. Das Klima verändert sich rapide. Unsere Kulturpflanzen haben in der Zukunft neue Herausforderungen: mehr Dürre, weniger Wasser, neue Schädlinge und höhere Temperaturen. Dabei sollen sie wahrscheinlich mindestens den gleichen Ertrag, wenn nicht mehr, liefern.

Wir spüren es an unseren Ernten: Unsere Nutzpflanzen sind noch nicht vorbereitet – noch nicht.

Es gibt Ziele des Umweltschutzes und des Pariser Klimaabkommens, die 50 % weniger Pflanzenschutzmittel bis 2030, weniger Mineraldüngung und mehr Biodiversität vorschreiben. Das ist uns auch wichtig.

Daher brauchen wir neue Lösungen. Wir brauchen sie schnell; denn der Wandel wartet nicht auf uns, sondern passiert einfach.

Hierfür haben wir in der Landwirtschaft unterschiedliche Hebel. Ich nenne einmal drei: Smart Farming, Humusaufbau und Züchtung angepasster Sorten. An den ersten beiden Themen arbeiten wir schon; das dritte serviert uns gerade die Genschere auf einem grünen Tablett.

Für die Pflanzen heißt das: Resistenzen gegen Pilzkrankheiten bedeuten weniger Pflanzenschutzmittel. Besserer Umgang mit Trockenheit bedeutet weniger Wasser.

Bessere Aufnahme von Nährstoffen bedeutet weniger Dünger und damit weniger Allergien. – All das könnte die Genschere möglich machen.

Bitte lassen Sie mich die Pflanzenzüchtungsmethoden im Kontext einordnen.

Als Erstes gibt es die klassische Züchtung und dazu noch die Mutagenesen. Diese Verfahren werden als natürlich eingestuft. Es dauert ungefähr 10 bis 15 Jahre, bis die Sorten marktreif sind. Haben wir diese Zeit noch? Ich sage: Nein.

Es gibt die klassische GVO, bei der fremde DNA in das Genom eingebracht wird und dort immer erkennbar bleibt. Wir alle kennen gentechnisch veränderte Sojabohnen. Das geht methodisch zwar viel schneller. Aber wir sind uns einig: Das wollen wir nicht.

Nun gibt es etwas Neues, nämlich eine Kombination der Vorteile der beiden vorgenannten Methoden, schneller und als natürlich einstufbar: die Genschere CRISPR/Cas9. Um diese geht es in unserem Antrag.

CRISPR/Cas9 ermöglicht es, Genabschnitte punktgenau zu entfernen, also umzuschreiben, quasi zu editieren, ohne artfremde DNA einzufügen. Man spricht da von Genome Editing/BTX-Korrektur. Die Zelle schließt die Schnittstelle automatisch, das Cas9 baut sich ab. Nichts anderes passiert bei natürlichen Mutationen, wie sie sich zufällig immer wieder und in großer Zahl ereignen. Das alles passiert – ich sage das noch einmal, weil das für mich sehr wichtig ist –, ohne dass fremde Erbinformationen in die Zelle eingeschleust werden.

CRISPR/Cas9 ist damit Züchtung mit den Methoden der Natur im Zeitraffer. Ich nenne ein konkretes Beispiel: Das PILTON-Projekt ist ein Gemeinschaftsprojekt von 60 deutschen Züchtern. Es handelt sich um einen Weizen, der in seiner ursprünglichen Pflanzengenetik natürliche Abwehrmechanismen hat. Es gibt in der Pflanze aber auch ein eigenes Regulator-Gen, welches diesen Schutz abschaltet. Die Genschere könnte dieses Gen herausschneiden und damit die natürliche Pflanzenabwehr des Weizens wieder hervorrufen. Das bedeutet für den Anbau des PILTON-Weizens 50 % weniger Pflanzenschutzmittel.

CRISPR hat also das Potenzial, einen wichtigen Beitrag für die nachhaltige, leistungsfähige und klimaangepasste Erzeugung von Lebensmitteln zu leisten – mit einer schnelleren Züchtung und mit Sorten mittelständischer Züchter made in Germany.

Wir wollen und wir müssen dieser Züchtungsmethode eine Chance geben. Deshalb fordern wir die EU auf, diese neue Züchtungsmethode in der Pflanzenzucht neu zu bewerten.

Beruhend auf einer fast 20 Jahre alten Verordnung wird sie pauschal als Gentechnik eingestuft und ist damit verboten. Aber in den USA, China, Australien usw. wird sie bereits eingesetzt. Europa verliert gerade den Anschluss.

Es handelt sich allerdings um eine Technologie, die mit ganz großem Verantwortungsbewusstsein eingesetzt werden muss. Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen, bedeutet aber auch, wissenschaftliche Erkenntnisse nach sorgfältigen Kosten-, Nutzen- und Risikoabwägungen und in klaren Grenzen zu nutzen.

Denn eines ist klar: Um die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen, müssen wir Nachhaltigkeit und Innovationen zusammendenken. Insofern ist dieser Antrag eine Plattform, um eine technologieoffene Debatte zu starten.

Mein persönlicher Wunsch wäre, dass Brüssel nach einer Neubewertung schreiben würde: CRISPR/Cas ist ein kleiner Schritt für die Evolution, aber ein großer Schritt in Richtung Zukunft. – Danke.