Frederike Klar berichtet von ihren ganz persönliche Erfahrung beim 12. Jugendlandtag vom 27. bis 29. Oktober im Düsseldorfer Parlament

„Wir debattierten über den Ausbau des ÖPNVs und der Fahrradwegeinfrastruktur sowie über das Wahlrecht ab 16. Ich durfte Frau Dr. Peill für diesen Zeitraum vertreten und ihren Sitz im Landtag einzunehmen. Das Besondere am Jugendlandtag des Landes Nordrhein-Westfalen ist, dass die von uns gefassten Beschlüsse an den regulären Landtag weitergeleitet und dort beraten werden – uns als Jugendlichen wird damit also die Möglichkeit gegeben, auch realen Einfluss auf die Landespolitik zu nehmen.

Aber vorab noch einige Worte zu mir selbst: Mein Name ist Frederike Klar, ich komme aus Linnich und besuche das Gymnasium Haus Overbach in Jülich-Barmen. Vor einigen Monaten habe ich mich bei Frau Dr. Peill um den Platz im Jugendlandtag beworben und durfte dann zu meiner großen Freude unsere Region in Düsseldorf repräsentieren. Wir führten ein vorbereitendes Gespräch, für das ich ihr immer noch sehr dankbar bin und das ich sehr wertschätze – schließlich wurden viele der von uns besprochenen Positionen auch im Jugendlandtag thematisiert und ich fühlte mich gut vorbereitet. Auch an dieser Stelle ein Dankeschön an Dominik Dimmendaal, Frau Dr. Peills wissenschaftlichen Mitarbeiter, der mich sehr freundlich in Düsseldorf willkommen geheißen hat und auch im Vorfeld für Fragen bereitstand.

Am ersten Tag fand ein von der Landeszentrale für politische Bildung organsiertes Demokratietraining statt. Wir debattierten hier fraktionsübergreifend über demokratietheoretische Fragen und fanden einen weitgehend gemeinsamen Ton für die Debatten der nächsten Tage. Diese Erfahrung war wundervoll – ich knüpfte Kontakte und lernte andere Abgeordnete kennen, mit denen ich die nächsten Tage verbringen würde. Am Abend  spazierten wir „auf den Wegen der Demokratie“ zum Landtag und lernten uns in diesem Rahmen näher kennen. Es war fantastisch, sich mit jungen Menschen aus anderen Regionen und mit anderen Hintergründen auszutauschen – diese Diversität machte den Jugendlandtag zu einer bereichernden, Perspektiven eröffnenden Erfahrung.

Der folgende Tag sollte ganz im Zeichen inhaltlicher Debatten stehen – Fraktionssitzungen sowie eine Expertenanhörung mit anschließender Ausschusssitzung waren geplant. Mein persönlicher Fokus lag auf den Diskussionen rund um das Wahlalter ab 16, denn ich durfte dem Ausschuss für Schule und Bildung angehören. Zuerst standen allerdings Personalentscheidungen in der Fraktion an – es ging um den Fraktionsvorstand sowie Ausschuss- sowie Themensprecherinnen und -sprecher.

In der anschließenden Expertenanhörung zum Wahlalter ab 16 plädierte zuerst der Politologe Prof. Dr. Frank Decker, Professor der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, für die Änderung: Er legte anhand von Daten, unter Anderem aus anderen Bundesländern wie Bremen das diese Reform bereits durchgeführt hat, Folgen und Effekte dar. Herausstechend waren in meinen Augen seine Ausführungen zum sogenannten Erstwählereffekt: Die Erstwählerinnen und -wähler setzen sich im Regelfall besonders mit ihrer Wahlentscheidung auseinander und es fällt auf, dass wenn dieser Moment früher im Leben eintritt, langfristig positive Effekte auf die Wahlbeteiligung zu verzeichnen sind – hier spricht man vom Kohorteneffekt.

Auch der zweite von uns angehörte Experte Max Holzer, Vorsitzender des Landesjugendrings NRW und damit Repräsentant eines Zusammenschlusses von Jugendverbänden unterschiedlichster Ausrichtung, erläuterte, wieso er primär die Gegner des Wahlrechts ab 16 in der Erklärungsposition sieht. Dem häufig angeführten Argument, dass für nicht volljährige Personen rechtlich verankerte Schutzmaßnahmen wie das Jugendstrafrecht und auch die eingeschränkte Geschäftsfähigkeit gelten, entgegnete er, dass „vor demokratischer Teilhabe niemand geschützt werden muss“ – eine Idee, die sich in meinen Augen im Verlauf des Jugendlandtags als richtig bewahrheitete: Wir als Jugendlandtagsabgeordnete debattierten, reflektierten, trafen Kompromisse. Es machte Spaß, verband uns fast alle miteinander und machte jeden Einzelnen von uns letztlich zu „Botschaftern der Demokratie“, wie uns auch vom Präsident des Landtags André Kuper in einer kurzen Ansprache am Freitag dargelegt wurde.

In den Fraktions- und Ausschusssitzungen trugen wir diese Idee weiter und entschieden uns, im Ausschuss für Schule und Bildung letztlich dazu eine Beschlussempfehlung mit Bezug auf den Antrag zur Absenkung des Wahlalters abzugeben. Allerdings – und das ist mir ganz wichtig zu bemerken – standen nicht alle Abgeordneten des Jugendlandtags hinter dieser Entscheidung und die Abstimmung im Rahmen der Plenarsitzung am Folgetag sollte denkbar knapp ausfallen. Vielen fehlte der Aspekt der Stärkung politischer Bildung im vorliegenden Antrag. Viele der Fraktionen vereinte der Wunsch, dass besser über das Wahlsystem aufgeklärt wird, Projektwochen zu politischen Themen stattfinden und eine Einführung des frühen Wahlalters dahingehend als ein neuer Ansatzpunkt aufgefasst wird.

Der parlamentarische Abend beendete offiziell diesen langen diskursreichen Tag und ich führte noch viele bereichernde Gespräche bei Livemusik. Der Abend und für viele auch die anschließende Nacht wurden allerdings geprägt vom Feilen an Reden und von der Ausarbeitung gemeinsamer Positionen.

Der Samstag sollte nämlich den Höhepunkt des Jugendlandtags 2022 beinhalten – die Plenardebatte, die unter dem folgenden Link auch in Gänze anzusehen ist: https://www.landtag.nrw.de/home/mediathek/video.html?kid=27c6ac5b-ba1c-41e5-bb2e-000000200C88. Eine absolute Empfehlung meinerseits, denn wir führten einen kontroversen, in meinen Augen sehr erkenntnisreichen Diskurs. An dieser Stelle ist die klare Abgrenzung der demokratischen Fraktionen zur AfD zu bemerken – eine Entscheidung, die richtigerweise auch in der CDU-Fraktion getroffen wurde.

Wir starteten auch in diesen Tag mit einer einleitenden Fraktionssitzung, um dann im Plenum mit einer Aktuellen Stunde zum Themenkomplex rund um Lützerath zu beginnen.
Im Anschluss wurde der erste Antrag zum ÖPNV und zur Fahrradwegeinfrastruktur diskutiert – die Redenden der verschiedenen Fraktionen legten ihre Punkte dar. Ich persönlich bin immer noch beeindruckt davon, dass einige während der Debatte ihre vorbereiteten Reden komplett über Bord warfen und spontan mitreißende, mit Standing Ovation belohnte Ansprachen hielten – Kompliment dafür. Allerdings war die ganze Zeit über das zu erwartende Abstimmungsergebnis noch gänzlich offen – viele waren sogar während der Debatte noch unentschieden. Die knappen Mehrheitsverhältnisse im realen Landtag taten ihr Übriges. Nachdem die ersten Abstimmungen per Handzeichen und durch Aufstehen kein eindeutiges Ergebnis ergaben, kam es zum ersten Mal seit Langem im NRW-Landtag zu einem sogenannten Hammelsprung. Das bedeutete, dass wir durch das Durchschreiten von Türen, die jeweils für „Ja“, „Enthaltung“ oder „Nein“  stehen, unser Abstimmungsverhalten deutlich machen konnten. Die einzelnen Stimmen wurden dadurch konkret zählbar. Ein sehr besonderes und eindrückliches Gefühl – jede einzelne Abweichung führte direkt zu einem anderen Ausgang der Abstimmung. Letztlich wurde der Antrag auch mit meiner Unterstützung angenommen und wird folglich dem Hauptausschuss des NRW-Landtags vorgelegt.

Auch die Debatte über die zweite Frage sollte spannend werden: Fordern wir als Jugendlandtag die Absenkung des Wahlalters auf 16 oder nicht? Hier fiel das Ergebnis nicht so knapp aus wie zuvor und der Antrag wurde in der ersten Abstimmung auch zu meiner persönlichen großen Freude angenommen. Zwar ist das Wahlrecht ab 16 im Zukunftsvertrag der aktuellen Regierungskoalition von CDU und Grüne verankert, dennoch lag es mir am Herzen, das mit dieser Entscheidung des Jugendlandtags zu unterstreichen.
Das letzte gemeinsame Mittagessen und eine abschließende Andacht folgten. Wir verabschiedeten uns alle voneinander und hoffen auf ein Wiedersehen, wenn auch in anderem Rahmen.

Kurzum: Der 12. NRW-Jugendlandtag war ein Moment gelebter Demokratie, den auch ich nun im Anschluss weitertragen möchte. Wir müssen immer wieder für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung kämpfen und sie vor anderen Einflüssen verteidigen. Uns als junge Generation kommt dabei eine besondere Position zu Teil und ich bin sehr dankbar, dass ich durch Frau Dr. Peills Engagement eine von knapp 200 jungen Personen in diesem Land bin, die nun mit dieser Botschaft in ihre Freundeskreise, an ihre Schulen, ihre Universitäten oder Ausbildungsstätten zurückkehren. Auch im nächsten Jahr wird voraussichtlich wieder ein Jugendlandtag stattfinden und die Landtagsabgeordneten in NRW werden sich über zahlreiche Bewerbungen junger Menschen freuen. Mein klarer Appell: Bewerbt euch und gestaltet mit!